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Grußwort der Ministerin Anke Spoorendonk

Grußwort der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein anlässlich des Gedenkens der Opfer im ehemaligen Lager Gudendorf in der heutigen Gedenkstätte Gudendorf. 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Anwesende,

mit Ihrem Zusammenkommen am heutigen Tag ehren Sie die Menschen, die im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Gudendorf während der NS-Zeit ums Leben gekommen sind. Sie gedenken Ihrer und Sie erinnern an sie.

Ein solches Gedenken ist nicht auf die großen, bekannten Orte wie Auschwitz oder Dachau begrenzt. Und auch nicht auf große Jahrestage, wie wir sie im letzten Jahr zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren mehrfach begangen haben. Erinnern und Gedenken darf niemals Routine werden oder im Ritual erstarren. Von „Erinnerungsprofis“ war gar schon die Rede, von der Austauschbarkeit von Redepassagen.

Gerade deshalb bin ich für eine Initiative wie die Ihre hier vor Ort so dankbar. Sie leben dieses Gedenken und füllen es dauerhaft und nicht nur sporadisch aus. Mit dem Verstummen der Zeitzeugen wird es immer wichtiger, junge Menschen an das Thema heranzuführen und ihnen positive Anregungen zu geben. Welche „Handlungsspielräume“ gab es im Nationalsozialismus für Hilfeleistungen und Solidarität mit den Ausgegrenzten und Verfolgten? Und wie wurden sie genutzt? Mit solchen Erfahrungen bleibt zu hoffen, dass sich auch künftige Entwicklungen und Krisen meistern lassen. 

Denn das eine hat mit dem anderen zu tun: Der heutige Umgang mit der sogenannten Flüchtlingskrise ist durchaus auch geprägt durch unsere düstere Vergangenheit. Ohne die Verfolgung Andersgläubiger und Andersdenkender in und durch Nazideutschland hätte es den Asylparagrafen wohl kaum in dieser Form in der Verfassung gegeben. Die Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit sensibilisiert uns auch für Gegenwart und Zukunft.  Und die strikte Auslegung dieses Grundrechts auf Asyl ist die Basis für die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge. Auch diesen Menschen wollen wir in Zukunft etwas von unserer Vergangenheit und unserer Erinnerungskultur vermitteln.

Ja, unser Gedenken ist vergangenheitsbezogen. Und wir können nachträglich keine „Heilung“ herstellen. Aber wir können unsere Lehren daraus ziehen, wir können für die Gefährdungen der Humanität und der Brüchigkeit staatsbürgerlicher Entwicklungen sensibilisieren und zum aktiven Handeln ermutigen. Geschichte wiederholt sich nicht einfach – und auch Gedenken wiederholt sich nicht einfach. Diese Feierlichkeiten hier in Gudendorf mögen jedes Jahr denselben Anlass haben, aber wir entwickeln uns von Jahr zu Jahr weiter, lernen dazu und geben unsere Erfahrungen weiter. 

Neben der Trauer und Nachdenklichkeit gehören für mich auch das Engagement und der Einsatz für Toleranz und Solidarität, für Menschenwürde, Gerechtigkeit und Demokratie zum heutigen Tag. Ich danke der „Initiative Blumen für Gudendorf“ ausdrücklich für ihre Bildungs- und Erinnerungsarbeit, für ihre Standhaftigkeit, hier ein Zeichen zu setzen, Spuren zu bewahren und zu hinterlassen. Wir alle sind dazu aufgerufen, unsere Sonntagsreden auch im Alltag zu leben.

Anke Spoorendonk

Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein