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Es gibt kaum einen Ort in Schleswig-Holstein, der so zum Nachdenken über die Geschichte auffordert, wie die Gedenkstätte Gudendorf (Dithmarschen).

Wenn Besucherinnen und Besucher durch den Wald zum Gedenkstein gehen, mögen sie bedenken, dass ihr Weg entlang der Gräber vieler Menschen führt, die zwischen 1941 und 1945 als sowjetische Kriegsgefangene in der näheren und weitenden Umgebung den Tod fanden und nach Gudendorf gebracht wunden, wo ein Massengrab ausgehoben wurde. Keiner kennt heute genau alle Plätze, wo sie bestattet worden sind. Bis heute gibt es auch keine genauen Angaben über die Zahl der Opfer, die in Gudendorf liegen. Erst nach und nach werden nach Recherchen des Zentralen Archivs des Verteidigungsministeriums in der der Russischen Föderation in Podolsk auch die Namen der Toten bekannt. Die britische Militärregierung hat gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Hitlerfaschismus die Einrichtung eines Ehrenfriedhofs für alle sowjetischen Kriegsgefangenen angeordnet, die infolge völlig unzureichender Ernährung, menschenunwürdiger Behandlung, rücksichtsloser körperlicher Ausbeutung im Arbeitseinsatz und durch gezielte Ermordung den Tod gefunden haben. Gudendorf ist eins der vielen Massengräber in Deutschland. Die gegenwärtige Geschichtsschreibung geht davon aus, dass während des Zweiten Weltkrieges 5,4 Millionen Angehörige der Roten Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, von denen wenigstens drei Millionen Menschen qualvoll zu Tode kamen.

 

 Luftbild von Gudendorf, Aufnahme von 16.4.1945. Im nördlichen Teil des
Kreises befinden sich die Baracken des Erweiterten Krankenreviers.

Die heutige Gedenkstätte, die sich in einem aufgeforsteten Dünengelände befindet, verdankt seine Entstehung einend Initiative des Kreises Süderdithmarschen, die die Schaffung einer „tatsächlichen Ehrenstätte" anregte, Die gärtnerische und landschaftsplanerische Gestaltung vollzog der Landschaftsgärtner Hans-Erik Brodersen. Die gleichmäßig großen, linienförmigen Flächen deuten Grabfelder an. Das erste wurde leer gelassen und weist auf die zunächst unbekannten toten Soldaten hin, die in dem Dünengelände vergraben wurden. In den beiden anderen Feldern liegen 248 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die nach dem Kriege von anderen Friedhöfen der Umgebung nach Gudendorf umgebettet wunden.

Das Ehrenmal schuf der Bildhauend Siegfried Assmann aus Großhansdorf (Kreises Stormarn). Es wunde im Frühjahr 1961 fertig gestellt. In die 11 Meter hohe Stele wunde die Figur des Fährmanns Charon aus der griechischen Mythologie eingearbeitet, der die Seelen der Verstorbenen über den Grenzfluss Acheron zur Unterwelt rudert. Die Fahrtrichtung des Bootes führt direkt auf die Besuchend zu, wenn sie sich dem Mahnmal nähern.

In Gudendorf wurde bald nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion ein Kriegsgefangenenlager errichtet. Auf einer Fläche von rund einem Hektar standen an der heutigen Schulstraße Baracken, in denen die sowjetischen Kriegsgefangenen untergebracht wanden. Das Lager gehörte zum STALAG (Stammlager) XA Schleswig.

Außerdem wurden an der Straße nach St. Michaelisdonn in der Nähe von Hindorf Baracken aufgestellt, die als Krankenrevier dienen sollten. Der Volksmund gab ihnen den Namen „Seuchenbaracken“. Ursprünglich waren sie für polnische und sowjetische Kriegsgefangene gedacht, unter denen wegen der unzureichenden hygienischen Zustände Fleckfieber ausgebrochen war. In den Krankenstationen taten eine russische Ärztin und eine russische Apothekerin Dienst. Dramatisch verschlechterte sich die Situation durch Verlegung des Erweiterten Krankenreviers des Stammlagers XA von Heidkaten bei Kaltenkirchen nach Gudendorf im April 1944. Anzunehmen ist, dass der größte Teil der im Gudendorfer Massengrab liegenden Toten aus dem „Krankenrevier“ stammte. Unter Bruch geltenden internationalen  Rechts und unter Missachtung jeder Humanität wurden sie Opfer der NS-Vernichtungspolitik. Überall in Deutschland gab es diese Massengräber. Das größte befindet sich in Stukenbrock in Ost-Westfalen. Hier muss von einer fünfstelligen Zahl an Opfern ausgegangen werden.

Günther Wilke, Wedel